Neue Website ermöglicht anonymen Gehaltsvergleich und Firmenbewertung

Fühlen Sie sich im Vergleich zu Ihren Kollegen unterbezahlt? Fragen Sie sich, ob Sie bei einem anderen Unternehmen mit der gleichen Arbeit mehr verdienen könnten? Antworten auf diese Fragen soll eine neue Website geben. Ihr Modell hat sich in den USA bereits bewährt.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Marzena Sicking
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Sie sind genau so erfolgreich im Job wie Ihr Kollege. Aber verdienen Sie auch soviel? Von ihm werden Sie es sicher nicht erfahren, von Ihrem Arbeitgeber auch nicht, denn "über Geld spricht man nicht". Abgesehen davon, dass sich die Kollegen untereinander misstrauisch beäugen und keiner freiwillig mit der Wahrheit rausrückt, weil er Angst hat, dass er entweder Neid auf sich zieht oder sich lächerlich macht, haben viele Mitarbeiter in ihren Arbeitsverträgen auch eine Klausel, die sie in diesem Punkt zum Schweigen verpflichtet.

Trotzdem wissen wir natürlich alle, dass in den meisten Unternehmen selbst gleiche Tätigkeiten sehr ungleich bezahlt werden. Wer fair bezahlt werden möchte, sollte für die nächste Gehaltsverhandlung aber durchaus wissen, was andere mit dem gleichen Job verdienen. Und zwar möglichst in der eigenen Branche und Stadt – oder noch besser: in der eigenen Firma.

Aber wie soll das gehen, wenn keiner darüber spricht bzw. vermutlich nicht die Wahrheit sagt? In den USA hat sich bei diesem Thema der Webdienst "glassdoor" erfolgreich etabliert. Hier geben die User freiwillig Auskunft über das Gehalt, dass sie in ihrem Job und in Ihrer Firma verdienen. Die Daten werden anonymisiert, so dass Interessenten zwar die gewünschten Informationen erhalten, aber sie keiner konkreten Person zuordnen können. Die Berliner Startup-Firma Companize GmbH arbeitet nach dem gleichen Prinzip: Auf der neuen Website kann jeder Arbeitnehmer sein Gehalt mit dem Durchschnitt vergleichen – aber auch mit den eigenen Kollegen. Außerdem können die Arbeitnehmer hier auch anonym die Qualitäten ihres Arbeitgebers bewerten, das Image anderer Unternehmen mitbestimmen und sich geschützt untereinander austauschen. Heise resale sprach mit Companize-Gründer Jens Sander über den neuen Service.

Companize-Gründer Jens Sander ist vom Sinn eines anonymen Gehaltsvergleichs überzeugt

(Bild: Companize.de)

Jens Sander: "Beim Gehalt hüllt sich tatsächlich jeder in großes Schweigen. Inwiefern im Büro ein ehrlicher Austausch über Gehälter möglich ist, hängt sicherlich stark vom Unternehmensklima und dem gegenseitigen Vertrauen ab. Nach meiner persönlichen Erfahrung ist die Frage nach dem konkreten Gehalt meist zu intim für das Büro. Häufig habe ich hierzu eher ausweichende Antworten gehört wie, 'Naja, ich verdiene so knapp 10 Prozent über dem Branchendurchschnitt'."

Jens Sander: "Vielleicht möchten wir unsere Kollegen und uns selbst schützen – vor direktem Neid oder vor direktem Mitleid. Wir definieren unseren Selbstwert zu einem großen Teil wohl auch über unsere Einkommenshöhe."

Jens Sander: "Die Informationen können für Beides helfen: Wenn ich die Gehaltsspanne in meiner Firma oder sogar für meinen Beruf in einer Firma kenne, weiß ich, ob ich gut verhandelt habe. Damit habe ich auch eine quälende Frage weniger. Zudem kann ich mit diesem Wissen meine Gehaltsmöglichkeiten besser einschätzen und die nächsten Karriereschritte gezielter planen."

Jens Sander: "Ich denke nicht. Denn zum einen wird das Bewertungsprofil eines Unternehmens mit zunehmender Bewertungszahl immer genauer. Daher kann man als Betrachter recht gut einschätzen, wie valide die abgegebenen Bewertungen durch Außenstehende sowie durch die Mitarbeiter bereits sind. Sofern die Bewertungen von den Mitarbeitern zudem schon kommentiert wurden, verfeinert sich der Eindruck zusätzlich. Außerdem besteht bei uns die Möglichkeit über unsere Plattform persönliche Fragen direkt an den jeweiligen Mitarbeiter zu senden.

Zum anderen profitieren unsere Mitglieder generell am meisten von companize.com, wenn Sie ehrliche Angaben machen: Funktionen wie die Arbeitgeberbewertung und der Gehaltsvergleich sind über das Mitgliederprofil miteinander verzahnt. Daraus ergibt sich, dass nur ehrliche Profilangaben einen geschützten Austausch mit Kollegen und mit Mitgliedern meines Berufes oder eine sinnvolle Gehaltsauswertung ermöglichen. Aus Qualitätsgründen sind diese Angaben dann auch für sechs Monate festgeschrieben."

Jens Sander: "Oh ja, sehr viele. Das fängt bereits bei den Nachrichten und der Image-Bewertung durch Außenstehende an. Bei großen Unternehmen wie Kik, Lidl, der Deutschen Bahn oder der Telekom hat man ja bereits aus den Zeitungen einige Schlagzeilen im Hinterkopf. Aber in unseren Top-Listen finden sich Firmen, die ich früher höchstens vom Namen her kannte.

Hinsichtlich der Bewertungen durch die Mitarbeiter, finde ich spannend, welche Eigenschaften diese ihrem Arbeitgeber zuordnen. Denn über diese Zuordnung lassen sich die Firmen wiederum in der Firmensuche finden: Wenn ich zum Beispiel eine Firma suche, in welcher die Mitarbeiter authentisch miteinander umgehen, dann klicke ich in der Firmensuche auf das Attribut "authentisch" und erhalte spannende Ergebnisse. Der Suchmechanismus ist sicherlich auch eine Chance für Mittelständler sich zu positionieren, wenn sie echte Nachrichten zu ihrem Profil verlinken oder Ihre Mitarbeiter zur Bewertung auffordern.

Bei der Bewertung durch die Mitarbeiter und der Möglichkeit diese zu kommentieren hatten wir mit großer Emotionalität gerechnet. Tatsächlich scheint die Bewertung des Arbeitgebers einigen ein großes Anliegen zu sein und es gibt viele positive aber auch negative Kommentare, manche ausgesprochen bewegend. Einige mussten aber auch gesperrt werden."

Jens Sander: "Naja, so knapp 10 Prozent über….. Nein, ausweichen muss ich jetzt zum Glück nicht. Da wir zusammen mit Freunden unser Erspartes in unser Startup investiert haben und gerade erst durchstarten, beziehe ich aktuell noch kein Gehalt. Aber bei meinem nächsten Gehalt mache ich bestimmt den Gehaltsvergleich auf unsere Seite, um meine Möglichkeiten zu prüfen." (Marzena Sicking) / (map)
(masi)