Bild-Zeitung fragt: "Darf ich bei Facebook über meinen Job lästern?"
Die Bild-Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 13.04.2011 von einer englischen Bankangestellten, die wegen einer abfälligen Äußerung auf Facebook über ihren Chef entlassen wurde. Stephanie Bon war bei der Lloyds Banking Group als Leiharbeiterin angestellt und kommentierte mit ihrem Facebook-Eintrag eine Nachricht über die Gehaltsbezüge des CEO der Bank. Wörtlich schrieb sie:"LBG's new CEO gets £4,000 an hour. I get £7. That's fair." (Ungefähr: Der Neue Chef der Lloyds Banking Group verdient 4000 Pfund die Stunde, ich bekomme 7 Pfund - Das ist gerecht!)
Soweit zum Inhalt der Bild-Zeitungsmeldung. Das eigentlich spannende an dem Artikel ist, was die Bild-Zeitung aus der Meldung macht. Die Bild-Zeitung nutzt die Nachricht, um ihre Leser vor zu lässigem Umgang mit Informationen über den Arbeitgeber zu warnen. Dabei schießt die Bild aber über das Ziel weit hinaus.
Die Zeitung verweist auf eine Klausel, die sich in den meisten Arbeitsverträgen befinde und erweckt den Eindruck, der Arbeitgeber habe fast immer das Recht zur Kündigung - selbst im Falle, dass Informationen schon anderweilig veröffentlicht wurden. „Was man bei Facebook über seinen Arbeitgeber schreiben dürfe“ fragt die Bild und antwortet: "Nach dem Arbeitsrecht fast nichts".
Statt zu recherchieren publiziert die Bild hier offensichtlich eine Meinung, die in dieser Schlichtheit so nicht richtig ist: Das Arbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat im Jahr 2009 in einem Urteil, die Unrechtmäßigkeit solcher absoluter Verschwiegenheitsklauseln festgestellt (Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Aktenzeichen:2 Sa 237/09 Urteil vom 21.10.2009). Demnach verstoßen solche Klauseln letztlich gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung hinsichtlich Gesprächen über Gehälter sowie gegen Art. 9 Abs. 3 GG.
Insofern ist es Arbeitnehmern sehr wohl erlaubt über ihr Gehalt Auskunft zu geben, natürlich auch auf Facebook. Im Arbeitsverhältnis gibt es zwar Pflichten zur Verschwiegenheit (z.B. bei Geschäftsgeheimnissen), zur Unterlassung von schweren Störungen des Betriebsfriedens oder von übler Nachrede, aber das Kommentieren von veröffentlichten Nachrichten als solches, ist und bleibt - auch wenn die Nachricht das eigene Unternehmen betrifft - sicherlich durch das unveräußerliche Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.
"Treuepflichten" zwingen Arbeitnehmer nicht zu einem Verhalten entsprechend der Redewendung „wes Brot ich ess, des Lied ich sing“. Die rechtlich geschützten Interessen der Arbeitgeber sind im Einzelfall mit der Meinungsfreiheit abzuwägen. Denn die Meinungsfreiheit - auch von Arbeitnehmern - hat eine überragende Bedeutung für die Meinungsbildung in einem demokratischen System.
Weder in Deutschland, noch in Großbritannien, wäre wohl eine Kündigung auf Grundlage der von Stephanie Bon gemachten Äußerung zu rechtfertigen. Stefanie Bon war laut DailyMail [http://www.dailymail.co.uk/news/article-1373723/Bank-worker-Stephanie-Bon-fired-Facebook-post-Lloyds-boss-4k-hour-salary.html] nur befristet angestellt und musste darum gar nicht gekündigt werden. Nachdem Bild anfänglich "gefeuert" und "gekündigt" schreibt, zitiert das Blatt in einem späterem Absatz sogar den Sprecher ihres früheren Arbeitgebers, welcher betonte, dass der Vertrag ausgelaufen sei.
Das gerade die Bildzeitung, bei welcher Indiskretion als Teil des Geschäfts vermutet werden darf, zur Verschwiegenheit in Sachen Arbeitgeber mahnt, ist ein wenig kurios und mag zu mancher Spekulation über die Arbeitsverhältnisse in der Bildredaktion anregen.