Kirche als Arbeitgeber? Auch hier wird gestreikt - trotz Verbot
Mitarbeiter kirchlicher Organisationen dürfen nicht streiken, aber sie tun dies nun trotzdem: in der Diakonie Hannover wird ein halber und in der evangelischen Jugendhilfe in Freundenberg sogar einen ganzen Tag gestreikt. Gegen die im Grundgesetz verankerte Sonderstellung der Kirchen im Arbeitsrecht, den sogenannten "Dritten Weg", will die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di nun vorgehen.
Bis in die neunziger Jahre hinein, hatte dieser Sonderweg anscheinend die Kirchen als Arbeitgeber und auch die Arbeitnehmer wenig gestört. Paritätisch aus "Dienstnehmern" und "Dienstgebern" besetzte Kommissionen verhandelten Tarifverträge, ohne staatliche Festsetzung wie bei Beamten und ohne Arbeitskämpfe zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften wie in der freien Wirtschaft. Konnten sich die Parteien im kirchlichen Arbeitsbereich einmal nicht einigen entschied halt ein Schlichter. Solange die Mitarbeiter der Kirchen, immerhin rund 435.000 bei der evangelischen Diakonie und 507.000 bei der katholischen Caritas, nicht gegen die kirchlichen Moralvorstellungen und -lehren verstießen, hatten sie oft einen Arbeitgeber mit vielen Sozialleistungen.
Seit Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1994 gibt es jedoch private Konkurrenz auf dem Sozialmarkt. Viele Pflegedienste und Krankenhäuser orientieren sich seitdem nicht mehr am Bundesangestelltentarif und viele Dienstleistungen wie Gebäudereinigung, Fuhrparkverwaltung oder Lebensmittelversorgung werden an Dienstleister ausgelagert. Und auch kirchliche Arbeitgeber haben in den lezten Jahren wiederholt Lohnsenkungen durchgeführt, z.B. eine 13 prozentige Lohnsenkung für 580 Mitarbeiter von sechs Pflegeheimen der Caritas Niedersachsen bei der Übernahme durch das evangelische Johannesstift aus Berlin. Der Magazin "Stern" berichtete zum Jahresbeginn sogar von 35.000 Leiharbeitern, welche bundesweit in der Diakonie beschäftigt seien und weit weniger als die üblichen Löhne der Diakonie bekommen würden.
Ein Ver.di Sprecher spricht davon, dass inzwischen manche kirchlichen Einrichtungen noch nicht einmal mehr die Entscheide der eigenen Schlichter anerkennen würden. Wenn Kirchen Gerechtigkeit predigen, aber Löhne senken um Kosten zu sparen, sollten sie auch wir normale Arbeitgeber behandelt werden und deren Angestellte streiken dürfen.