BfR: Forscher werfen Bundesinstitut Vertuschung von Krebsgefahr vor
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist unter Beschuss. Forscher werfen dem BfR vor, bei der Risikoanalyse und Bewertung der Chemikalie Glyphosat falsch informiert zu haben. Glyphosat wird als Pflanzengift eingesetzt. Im Frühjahr wurde es von der Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation IARC als "wahrscheinlich krebserregend bei Menschen" eingestuft.
Kurz vor der erneuten Zulassung des Pflanzengiftes kocht ein Experten-Streit hoch. Glyphosat ist weltweit das Unkrautvernichtungsmittel Nummer eins. Pro Jahr werden rund 750.000 Tonnen auf Pflanzen und Böden ausgebracht. Erstmalig 1974 auf dem Markt gebracht vom US-Agrar-Konzern Monsanto wird es inzwischen von über 90 Chemieunternehmen in 20 Ländern hergestellt. Ein Milliardengeschäft.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung prüft stellvertretend für die gesamte Europäische Union die Sicherheit von Glyphosat. Die Aufgabe des BfR ist es, die die Verbraucher vor Gesundheitsschäden zu schützen. Noch im Juni teilte das BfR mit "Die Anhaltspunkte für ein genotoxisches Potenzial von Glyphosat können aus dem von der IARC veröffentlichten Kurzbericht nicht nachvollzogen werden…" Die BfR bemerkte, dass es den komplette IARC-Bericht nicht vorliegen hatte.
Doch es gab viele andere Untersuchungen. Glyphosat wurde dabei sowohl in Lebensmitteln als auch im menschlichen Körper nachgewiesen. 2013 ließ die Zeitschrift Ökotest Backwaren, Mehrl und Haferflocken untersuchen. In 14 von 20 Proben wurden Glyphosat-Rückstände gefunden. Und der BUND stellte 2013 in einer Stichprobe in 18 EU-Ländern dass fast jeder zweiter Bürger Glyphosat in sich trägt. Die Grünen ließen im Frühsommer eine Muttermilchanalyse von von 16 stillenden Frauen aus neun Bundesländern vornehmen. Ergebnis: In allen Muttermilchproben wurde Glyphosat-Rückstände gefunden. Sie übertrafen den zulässigen Grenzwert der für Trinkwasser gilt um das Zwei- bis Vierfache.
Eberhard Greiser, Epidemiologe an der Universität Bremen wirft der BfR vor, wichtige Untersuchungsergebnisse absichtlich außen vorgelassen zu haben. Von 92 Studien habe das BfR ganze 31 nicht berücksichtigt. Dabei zeigen gerade diese die Risiken des Pflanzengiftes auf den menschlichen Körper. Eine Studie deute daraufhin, dass bei Glyphosat-Kontakt auch ein 70 Prozent höheres Risiko von Frühgeburten bestehe.
Stattdessen habe das BfR hauptsächlich die Studien berücksichtigt, die von der Pflanzenschutzindustrie finanziert worden waren und sich auf deren wissenschaftlichen Methoden verlassen. Der Landwirtschaftsexperte Dr. Peter Clausing glaubt ebenfalls, dass Absicht im Spiel war.
Inzwischen muss die Behörde laut Süddeutscher Zeitung in einem bislang geheim gehaltenen Bericht an die europäische Kontrollbehörde EFSA einräumen, dass sie Hinweise auf deutlich erhöhte Krebsraten in einer ganzen Reihe von Tierstudien übersehen hat.
Das ARD-Magazin FAKT berichtete vor ein paar Tagen über den Fall und urteilt: "Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat die Öffentlichkeit im Zusammenhang mit dem umstrittenen Pflanzengift Glyphosat jahrelang falsch informiert."
Die Frankfurter Rundschau berichtet, dass Politiker und Umweltschutzverbände Konsequenzen fordern. Die Vorgänge am Bundesinstitut für Risikobewertung seien untragbar. Das müsse Folgen haben.
http://www.mdr.de/fakt/fakt-glyphosat-bfr-bewertung102.html
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/populaeres-pflanzengift-pruefer-uebersahen-risiken-bei-glyphosat-1.2711906
Löst Glyphosat Krebs aus? - Divergierende Bewertungen innerhalb der WHO sollen durch Expertengruppe aufgeklärt werden
Mitteilung 016/2015 des BfR vom 8. Juni 2015