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Scholz & Friends: Werber wirbt für Werbeboykott – und erntet Shitstorm

Im Internet tobt ein Kampf um zulässige Methoden in der politischen Auseinandersetzung. Nachdem ein Strategieberater der Werbeagentur Scholz & Friends zu einem Werbeboykott bestimmter Websites aufgerufen hatte, erntete er und sein Arbeitgeber einen Shitstorm. Die Diskussion dauert an. Steckt mehr dahinter?

Eine "wehrhafte Demokratie" müsse Farbe bekennen, schrieb der Scholz & Friends-Stratege Gerald Hensel am 30. November auf seinem Blog. "Kollegen aus Media, Werbung und von Markenartiklern" rief er dazu auf, eine von ihm erstellte und veröffentlichte "Blacklist" zu prüfen.

Diese Liste enthalte Websites von "Neuen Rechten". "Gegen diesen neuen toxischen Schlamm, der sich aus AfD, FPÖ, Trump und Brexit bildet" wolle Hensel "bewusst übergriffig sein". Die Finanzierung dieser Webseiten solle beendet werden.

Es ist zwar "legal Banner auf diesen Seiten zu posten" so Hensel, doch es "ist eben auch legal, Kollegen zu fragen, ob sie sich bewusst sind, dass sie dort schalten." Von daher sei sein Aufruf auch keine Aktion gegen die Meinungsfreiheit. (1)

Das sahen die politischen Online-Magazine "Tichys Einblick" und "Die Achse des Guten" offenbar anders.

Henryk M. Broder, Kolumnist bei "Die Welt" und Mitgründer der "Achse des Guten" sieht hinter der Aktion einen "Denunzianten" am Werk, der gegen alles kämpft, was aus dessen Sicht politisch rechts ist.

Broder, der laut Wikipedia einer jüdischen Handwerkerfamilie entstammt, urteilt: "Ich mag ja etwas hysterisch sein, aber für mich hört sich „innogy, werbt nicht auf der Achse!” wie „Deutsche wehrt euch, kauft nicht bei Juden!” an." (2)

Auf dem Facebook-Account von Scholz & Friends sammelten sich kurz danach "mehrere hundert Kommentare und über 300 negative Bewertungen" berichtet das Branchenmagazin "Werben und Verkaufen (W&V)". (3) Die Agentur reagierte mit einem Statement und sagte zu der Aktion, zu der "man unterschiedliche Meinungen haben" könne, dass es sich um eine "private Initiative unseres Mitarbeiters Gerald Hensel" handele.

Die Website des Strategie-Beraters und seine Blacklist sind inzwischen nicht mehr öffentlich zugänglich. Doch die Diskussionen dauern an. Nicht nur, weil sich in der Zwischenzeit Werbekunden von "Tichys Einblick" und der "Die Achse des Guten" abgewendet hätten (4), sondern auch darüber, wie privat oder nicht privat die Aktion zu bewerten ist und ob sogar mehr dahinter stecke.

Die Website Tichys Einblick sieht Scholz & Friends insofern involviert, da ohne Hensels Verbindung zur Agentur kein "Hahn nach dieser Aktion krähen" würde, zumal Hensel Rückendeckung durch seinen Arbeitgeber erhalte und er das "aus seinem Arbeitsumfeld stammende Netzwerk dazu nutzte, Alarm gegen das liberal-konservative Bürgertum zu machen". (5)

Dirk Maxeiner, zweiter Gründer der Achse des Guten, deutet in einer "Chronik unheimlicher Zufälle" an, dass der Hintergrund der Aktion ein ganz anderer sein könnte: Ein Machtkampf um die Werbebudgets für die CDU-Wahlkampfkampagne 2017 – und eine entsprechend passende politische Positionierung.

Die Konkurrenzagentur Jung von Matt sei bereits in einer engeren Auswahl gewesen, den CDU-Wahlkampf zu begleiten. Doch sie könnte kürzlich Negativpunkte mit einem für Edeka produzierten Werbespot gesammelt haben. Denn zu diesem Weihnachts-Spot sind Vorwürfe laut geworden, es seien Nazi-Codes in ihm versteckt.

Maxheimer: "Der Vorwurf, mit rechtsradikalen Codes zu operieren, ist auf jeden Fall desaströs für Jung von Matt, die Agentur also, die Angela Merkels Wahlkampf bestreiten soll und der ärgste Widersacher von Scholz & Friends ist."

Hensel von Scholz & Friends hätte am selben Tag dann seine Kampagne gestartet. (6)


(1) http://www.davaidavai.com/de/2016/11/30/9618/
(2) http://www.tichyseinblick.de/meinungen/der-denunziant-von-scholz-friends/
(3) http://www.wuv.de/agenturen/shitstorm_gegen_scholz_friends
(4) http://www.achgut.com/artikel/das_deutsche_buergertum_darf_nicht_mehr_mitmachen
(5) http://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/halten-scholz-friends-die-kunden-und-unternehmen-fuer-dumm/
(6) http://www.achgut.com/artikel/scholz_und_denunzianten_eine_kleine_chronologie_der_zufaelle
(7)   |  
  |     |  Am 13.12.2016 von neckar
www.achgut.com   |  Firma: SCHOLZ & FRIENDS Group GmbH
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Wichtig!
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Von: neckar   [16.12.2016, 12:12]        
Die FAZ zu dem Boykottversuch: "Wer auf so etwas setzt, erst recht als Stratege einer Werbeagentur, bringt wirtschaftliche Macht gegen die Meinungsvielfalt und die Pressefreiheit in Stellung."

Und Dirk Maxeiner hat zu seiner Vermutung weiter recherchiert:

"Möglicherweise wollte Hensel ein Pilotprojekt vorführen, um mit seinem Arbeitgeber einen Millionen-Auftrag des Bundesfamilienministeriums zu ergattern (…)

Ende September meldete der Branchendienst new business: „Familienministerin Manuela Schwesig hat (SPD) hinsichtlich der aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen in punkto Rechtsextremismus und Flüchtlinge keine leichte Aufgabe. Deswegen ist sie nun auf der Suche nach Unterstützung für eine breit angelegte Kampagne. (…)

Die finanziellen Mittel für diese Kampagne belaufen sich dem Vernehmen nach auf mehrere Millionen Euro. So etwas ist das exakte Beuteschema für eine Agentur wie Scholz & Friends, die ja schon für das Bundespresseamt und mehrere Bundesministerien arbeitet. Und für eine Großagentur, die eine arge Schlappe ausbügeln wollte oder musste. (…)

Als Termin für das Präsentations-Schaulaufen der großen Agenturen um den Schwesig-Etat kristallisiert sich Mitte Dezember 2016 heraus, das heißt diese Woche. Schließlich soll es im Januar losgehen. (…)

Wäre die ganze Aktion so gelaufen wie geplant, hätte sich Scholz & Friends gegenüber einem neuen Kunden auf diesem Gebiet neben der fachlichen Expertise zusätzlich auf entsprechend erfolgreiche und ethisch astreine Aktivitäten seiner führenden Mitarbeiter berufen können. Ein Probelauf am lebenden Objekt, die Existenzvernichtung eines regierungskritischen Autorenblogs als Morgengabe und als Nachweis der strategischen Fähigkeiten von Scholz & Friends.(…) Fest steht: Scholz & Friends wussten von der Aktion. Die Agentur hat sie billigend in Kauf genommen."

http://www.achgut.com/artikel/denunzianten-gate_bezahlte_gesinnungs-taeter
Von:  polten.ese   [16.12.2016, 05:13]        
Wie auch immer, letzten Endes 'ne super Aktion von dem Werbemann! Wer kannte schon "Tychis Einblick" und "Achse des Guten" und Breitbart? Gute Quellen, um mal kritische Nachrichten und Meinungen zur Regierungspolitik zu lesen. Danke!
Von:  karine86   [16.12.2016, 01:02]        
@vroschi: Nein. Wenn nicht mehr jeder seine Meinung frei äußern kann, weil er er existentielle Konsequenzen befürchten muss, dann ist bald vorbei mit der Freiheit.

Und was das mit der Agentur zu tun hat, steht ja schon oben. Jeder Maurer, der sich öffentlich politisch zu fragwürdigen Dingen äußert wird Probleme bei seinem Arbeitgeber bekommen. Ein Stratege einer PR-Agentur, wird wohl erst recht wissen was er macht.
Von:  vroschi   [16.12.2016, 12:40]        
na, na, na, ma langsam! is ja gar nicht bewiesen. bewiesen is, dass der typ privat von seinem blog gepostet hat. jetzt muss sich schon der gwa-chef äußern. scholz+friends ist erstmal zu unrecht in der schusslinie und in sippenhaft. er fasst zusammen: die aktion wurde "nach übereinstimmenden Aussagen von einem ihrer Mitarbeiter privat und somit losgelöst von der Agentur initiiert" und ruft zur mäßigung auf. also bitte. runterkommen!
Von: Ruthenia   [14.12.2016, 17:46]        
Boykott und Denunziation sind keine Mittel der demokratischen Auseinandersetzung.

Für Demokraten gilt seit Voltaire und seit Beginn der europäischen Aufklärung etwas anderes:

"Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen."
Von: Zwitschern   [14.12.2016, 17:20]        
Severin Tatarczyk hat etwas Schönes geschrieben. Einen Vorschlag wie Scholz & Friends hätte besser reagieren können, als sie es getan haben:

"Wir als Agentur treten für eine breite, bunte und vielfältige Medienlandschaft ein. Verschiedene Meinungen und eine lebendige Diskussionskultur machen eine Demokratie aus, ja ohne diese wäre sie wohl gar nicht möglich.

Daher finden wir #keingeldfürrechts nicht gut. Eine Aktion #keingeldfürlinks fänden wir übrigens genauso schlecht.

Wichtig ist aber auch, dass jeder Mensch offen an der politischen Diskussion teilnehmen kann, ohne Angst vor Repressalien haben zu müssen, besonders auch nicht von seinem Arbeitgeber.

Wer daher glaubt, dass er indirekt bei uns Druck aufbauen kann, damit wir diesen dann an einen Kollegen weitergeben, ist hier an der falschen Adresse – denn Meinungsfreiheit ist für uns kein hohles Wort."

http://www.severint.net/2016/12/14/was-ich-als-scholz-friends-zu-keingeldfuerrechts-geschrieben-haette/
Von:  neckar   [15.12.2016, 03:36]        
Ja, nett. Das wäre eine erhabene Haltung und schlichtende und beruhigende Geste gewesen.

Nebenbei: Inzwischen hat der Stern den Gerald Hensel interviewt. Dort sagt er, es ginge ihm nicht um "Blacklisting" und er habe nie zu einem Boykott aufgerufen. Hingegen sieht er sich offenbar als den eigentlich Geschädigten an. Denn er stehe nun seit sieben Tagen unter Dauerfeuer. Er wird sich zudem von seinem Arbeitgeber trennen, auch wenn dieser rückhaltlos hinter ihm stehe, um sich für zukünftige Ideen selbst freier zu machen.
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