"George Orwell war harmlos dagegen": Axel Springer-Chef kritisiert Regierung, Journalisten und Political Correctness
"George Orwell war harmlos dagegen" urteilte Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der von Axel Springer, kürzlich in einem Interview über Pläne und Maßnahmen, nach denen die Regierung aktiv werden und den Bürgern sagen wolle, welches echte oder falsche Nachrichten seien.
Denn was die Wahrheit ist, dass könne weder eine Regierung noch Facebook definieren und "was den Menschen zuzumuten ist, sollten nicht Zensurbehörden" bestimmen. Döpfner weiter: "Ich habe den Eindruck, dass gerade ein paar Grundprinzipien freiheitlicher Gesellschaftsordnung mit Füßen getreten werden."
Überhaupt seien die sogenannten "Fake-News" kein neues Phänomen. Auf der Münchner-Internetkonferenz DLD sagt er im Februar "Seit es Journalismus gibt, gibt es Fake News". Der beste Garant für den mündigen Bürger sei hingegen eine Vielfalt an Informationen, Meinungen und Wahrheiten durch "unterschiedlicher Verleger, TV- und Radiosender oder Online-Anbieter".
Empört zeigte er sich, über die Versuche von Facebook für sein "Fakten-Checking" die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF einzuspannen. Denn dann würde man des Bürgers "Gebührengelder missbrauchen", um "das Glaubwürdigkeitsproblem eines Weltmonopols zu lösen, das Milliardengewinne erwirtschaftet". Er hoffe, dass es sich bei dem Versuch um ein Missverständnis handele.
Döpfner findet es falsch, wenn "professionelle Medien jetzt sozialen Medien helfen sollen, Fake News zu identifizieren". Soziale Medien, die nicht mehr nur eine Technologieplattform sondern auch Medienunternehmen sein wollen, sollen halt Redakteure einstellen und professionellen Journalismus betreiben.
Kritisch sieht er die Zensur-Versuche bei und über Facebook: Wenn "ein Technologie-Monopol fast zwei Milliarden Leser erreicht und die Inhalte-Auswahl kontrolliert, ist das das genaue Gegenteil von Vielfalt."
Hinsichtlich des Glaubwürdigkeitsproblems der Zeitungen ist Döpfner durchaus selbstkritisch: Statt Facebook zu helfen, sollen die Zeitungen und staatstragenden Medien ihre Hausaufgaben machen. Denn vielleicht würden sie zu sehr wie Politiker sprechen, "zu oft Wünsche, wie etwas sein müsste" transportieren und "zu selten Fakten, Tatsachen" und "schonungslose Beobachtungen". Die Medien würden mittlerweile von "vielen als Teil einer großen Eliten-Kungelei wahrgenommen".
Auch "durch weltfremde Political Correctness" wurde Vertrauen eingebüßt, zum Beispiel bei der "Trump-Wahl" oder dem "Brexit".
Denn selbst "der erbittertste Trump-Gegner kommt ins Grübeln, wenn Trump immer nur als Clownsfratze gezeigt wird" und vermutet dann dahinter eine Absicht.
Darüber müssten die Medien jetzt nachdenken. Denn "Authentizität und Klartext sind wichtiger als Vermischung von guten Absichten und Halbwahrheiten."
Man müsse den "wachsenden Graben zwischen politischen Eliten und den Medien auf der einen Seite und der sogenannten normalen Bevölkerung auf der anderen" ernst nehmen. Ein guter Journalist rede mit Jedem, auch mit Verbrechern und Diktatoren aber halte immer den nötigen Abstand – auch bei Weltverbesserern und Idealisten.
Doch der Abstand sei in einigen Fällen immer geringer geworden.
Und statt für den normalen, intelligenten, aufgeschlossenen, "aber nur bedingt informierte Leser" zu schreiben, würden sich manche Journalisten "inzwischen als Politikberater" verstehen und vielmehr "Kollegen, Politiker, Künstler oder Wirtschaftsführer" als ihre Empfänger betrachten. Sie würden einen Journalismus betreiben, "der sich an ein paar Eingeweihte richtet".
Neben seiner Führungsrolle im Hause Axel Springer ist Mathias Töpfer Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Zeitungsverleger.