Gesetz vom SPD-Minister – ein "verfassungswidriges Zensurinstrument"
Justizminister Heiko Maas (SPD) hat ein Gesetz angekündigt. Fachkundige Juristen beurteilen es als "verfassungswidrig" – und das "in mehrfacher Hinsicht". Sie sprechen von einem "Angriff auf die Meinungsfreiheit" sowie von einem "Zensurinstrument". Das Gesetz soll noch im Sommer in Kraft treten. Jetzt wurde der Entwurf dazu laut dem Heise-Verlag "heimlich geändert" und "nochmals verschärft".
Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" sieht die Pressefreiheit in Deutschland bedroht. [1] Der Tagesspiegel urteilt über den Gesetzesentwurf, er lese sich als stamme er aus dem Roman „1984“ von George Orwell. [2] Joerg Heidrich, Fachanwalt für IT-Recht, deutet den Entwurf als einen "Frontalangriff auf die Meinungsfreiheit". [3] Der Medienrechtler Joachim Steinhöfel erkennt sogar den einzigen Zweck des Gesetzes darin, dass die "Politik die Herrschaft über den entgleitenden zivilgesellschaftlichen und politischen Diskurs" zurück gewinnen wolle. [4]
Offiziell soll das von Heiko Maas angekündigte Gesetz mit dem Namen "Netzwerkdurchsetzungsgesetz" sogenannte "Hasskommentare" und "Fake News" im Internet eindämmen. Twitter, Facebook, YouTube und andere Anbieter sollen dann "offensichtlich rechtswidrige Inhalte" zum Teil bereits nach 24 Stunden löschen. Hört sich für die Bürger erstmal nicht so schlimm an. Nur...
"Was zum Teufel ist „offensichtlich rechtswidrig“?" fragt der Tagesspiegel.
Auch Joachim Steinhöfel wundert sich was „Hate Speech“ und „Fake News“ sein sollen. Etwa Wahlkampfversprechen wie „Die Rente ist sicher?“, Aussagen wie „Wir schaffen das?“ oder offizielle Pressemitteilungen der Polizei, wonach es in Köln 2015/2016 eine ruhige Silvesternacht gegeben habe?
Die kürzlich neu aufkommenden Begriffe seien "ungenau" und "schwammig" urteilt Steinhöfel, und das wohl mit Absicht. "Das permanente Operieren mit unbestimmten Rechtsbegriffen wie „Hate Speech“ oder „Fake News“ ist deshalb so geschickt, weil es Verunsicherung in die öffentliche Debatte trägt und zur Verängstigung der Menschen bei der Wahrnehmung ihrer Grundrechte führt" erklärt der Jurist.
Diese schwammigen Begriffe seien Instrumente, um zulässige Meinungsäußerungen zu kriminalisieren.
Volksverhetzung, Verleumdung und Nazipropaganda sind auch heute schon verboten. Das bisherige Strafrecht reiche völlig aus, um zum Beispiel gegen Volksverhetzung, Beleidigungen, üble Nachrede, Nötigung oder Bedrohung vorzugehen. [4]
Internetfirmen, denen mit dem neuen Gesetz dann Strafen bis zu einer Höhe von 50 Millionen Euro drohen, würden wohl vorsorglich viele Kommentare löschen. Der Effekt wäre, dass viele Meinungen einfach verschwinden, die vielleicht ungewöhnlich, aber rechtlich einwandfrei sind.
Das dieser Effekt wahrscheinlich ist, bestätigt bereits YouTube-Chefin Susan Wojcicki gegenüber der Wirtschaftswoche:
Das neue Gesetz "könnte dazu führen, dass die Unternehmen übermäßig unter Druck geraten und mehr Inhalte herausfiltern, als geboten wäre." Sie warnt: "Gerade wenn es um politische Meinungsäußerungen geht, kommen wir schnell in unsicheres Fahrwasser. Manche politische Äußerungen mögen nicht besonders populär sein, müssen aber in einer Demokratie angehört werden."
Und so könnten viele unliebsame Meinungen unterdrückt werden, ohne dass der Staat seine Zensur direkt selbst ausüben muss, da er sie ausgelagert und privatisiert hat.
Doch statt Warnungen wie die von You-Chefin Susan Wojcicki zu erhören, wurde der Gesetzesentwurf laut dem Heise-Verlag jetzt noch einmal überarbeitet und verschärft. "Heimlich, still und leise", heißt es dort. Und die neue Version wurde offenbar ganz unüblich "ohne jede Absprache bereits der EU-Kommission zur Notifikation vorgelegt."
In dieser neueren Version sei nun auch eine einfachere Weitergabe von persönlichen Daten der Internet-Nutzer vorgesehen.
Während Nutzer von Foren, Kommentarangeboten oder Social Media bisher davon ausgehen konnten, sich ungestört unter einem Pseudonym öffentlich auszutauschen, würden Internet-Plattformanbieter künftig die persönlichen Daten der Nutzer nicht mehr nur an Strafverfolgungsbehörden herausgegeben müssen.
Der IT-Rechtsexperte Joerg Heidrich warnt vor "enormen gesellschaftliche Kollateralschäden". Es drohe "nicht weniger als ein höchst gefährlicher Frontalangriff auf die Anonymität – und damit auf das Vertrauen im Internet ebenso wie auf die Meinungsfreiheit". [3]
[1] http://www.reporter-ohne-grenzen.de/deutschland/alle-meldungen/meldung/gesetzentwurf-bedroht-pressefreiheit/
[2] http://www.tagesspiegel.de/politik/gesetzentwurf-von-heiko-maas-erdoganismus-in-reinkultur/19537970.html
[3] http://www.heise.de/newsticker/meldung/Neuer-Entwurf-des-Netzwerkdurchsetzungsgesetzes-Frontalangriff-auf-das-Vertrauen-im-Internet-3668533.html
[4] http://www.theeuropean.de/joachim-nikolaus-steinhoefel/11962-heiko-maas-und-die-fake-news
[5] http://cicero.de/berliner-republik/netzwerkdurchsetzungsgesetz-kurzer-prozess-mit-der-meinungsfreiheit
[6] http://www.wiwo.de/technologie/digitale-welt/susan-wojcicki-youtube-chefin-entschuldigt-sich-bei-werbekunden/19592308.html